Ich habe mich schon vor dem Advent von INSTA, FB, TW, MASTODON … über die EXIF/IPTC-Stripperei aufgeregt. Was mich immer wieder fassungslos macht, ist die Unkenntnis und nicht selten Ignoranz diesem Umstand gegenüber.
Noch mal einen Schritt zurück: Moderne Bildverarbeitungsprogramme – in meinem Fall CaptureOne – aber auch jede bessere Handygalerie, ermöglichen, zusätzlich zu automatischen Metadaten, weitere Daten wie Titel, Urheberin, Sujet, Keywords ... und Beschreibung zu vergeben. Im professionellen Umfeld gibt es praktisch keine Bilder ohne dies. Zunehmend werden Beschreibungen, Farbe, Motiv usw. durch KIs ermittelt und auf Wunsch in die Felder übertragen – wenn man das will. Möchte man das Bild am Ende eines Bearbeitungsprozesses ausgeben, wird man explizit gefragt, welche Metadaten mit herausgelassen werden sollen.
Und nun stelle man sich vor, nachdem man diese Daten mühevoll 😎 vergeben hat, kommt ein Dienst daher und schmeißt sie alle wieder weg. Das ist nicht schön und auch illegal. Es gibt schon seit langer Zeit einen Rechtsspruch, der seinerzeit durch Freelens.com angestrengt wurde und die Entfernung von Metadaten aus Fotos verbietet (international). Das wird hin und wieder überprüft – jedes Mal mit einem niederschmetternden Ergebnis. Einzig Flickr scheint ein Silberstreif am Horizont zu sein.
Testergebis der IPTC 2019. Das Fediverse wurde leider nicht abgefragt.
Man stelle sich mal vor, man geht in ein Hotel und wenn man dann nach ein paar Tagen wieder wegwill, sind in der Zwischenzeit durch das Hotelmanagement alle Labels und eigene Beschriftungen von den Klamotten, Gegenständen, aus dem Notizbuch … entfernt worden. Und ggf. wurden diese auch noch durch eigene hoteleigene Tags & Slogans ersetzt. Hipster sitzt dann nicht mehr mit einem APPLE-, sondern mit einem IBIS-Computer im Kaffeeersatzshop. Oder ich, der sich überhaupt nicht beschriftet, läuft plötzlich mit “Willkommen im Ramada Kleinposemuckel”-T-Shirt durch die Gegend. Das ist doch bescheuert. Aber genau das passiert mit meinen Bildern - meinen Assets - wenn ich sie in irgendein soziales Netzwerk hochlade.
So weit, so schlecht und die übliche Antwort ist: „Brauchst ja nicht mitzumachen.“ Das stimmt in letzter Konsequenz natürlich - geht aber in beide Richtungen.
Neuere soziale Netzwerke, wie das FEDIVERSUM mit seinem Bilderdienst PIXELFED oder dem Messenger MASTODON, hätten durchaus die Chance gehabt, hier neue Wege zu gehen. Aber ausgerechnet bei diesem Thema - also dem Thema Persönlichkeitsrechte - haben die Entwicklerinnen gepennt. Ich kann mir gut vorstellen, dass die erste Intention war: ‚Wir bauen mal schnell Twitter und Instagram nach‘.
Aber da hätte es nicht aufhören dürfen. Insta und Twitter sind kommerzielle Plattformen, die aus geschäftlichen Gründen strippen. Denen sind die Metadaten für eine Vermarktung im Wege. Die Urheberin wird dort genötigt, die Rechte an den Konzern abzutreten. Das Fediverse hat diesen kapitalistischen Ansatz kopiert, ohne ihn zu verstehen.
Einige Metadaten sind m.E. essentiell. „Ein Bild an und für sich“, ist ein bunter Klecks. Ohne Kontext nützt es nur sehr wenig. Und es ist in der Tat so, dass der Genuss des „Der Absinth“ (Degas, 1876), den ich mir in einer Ausstellung anschaue, nur halb ist, wenn ich nicht um den Kontext wüsste. Und was ich nicht an Kontext irgendwann in der Schule gelernt habe, habe ich in der Museumsbroschüre nochmals vermittelt bekommen.
Die Metadaten: Urheberin, Titel, Rechte sind m.E. die Minimalausstattung. Nicht selten ist der historische (Datum) und lokale (Ort) Bezug sinnvoll – z.B. für Bilder, die vor einem Erdbeben aufgenommen werden.
Ein weiteres wichtiges Datum ist die Beschreibung. Dies ist oft die einzige Möglichkeit für die Fotografin, ihr Werk Blinden oder Sehschwachen zugänglich zu machen. Ausgerechnet diese Daten zu strippen, zeugt von einer gewissen Niedertracht.
Andere Metadaten, wie Blende, Blitz, Kamera ... UNameIt, sind ganz interessant, aber evtl. nicht für die Allgemeinheit. Und GPS-Daten gehören m.E. tatsächlich herausgenommen.
„Ja gut“, denken jetzt manche, „dann schreib sie doch in der Mastodon-Beschreibung rein“. Mache ich auch ... also manchmal ... bis mir der Kamm schwillt. DENN ICH HAB ALL DIESE DATEN SCHON MAL EINGEGEBEN! Dann wurden sie von Mastodon gelöscht und nun sollen sie schon wieder von mir händisch mit Copy&Paste eingefügt werden??? Das ist schon bescheuert genug. Aber echt problematisch ist, dass nun jemand anders die Bilder herunterladen kann und dann sind all diese proprietären „Hilfsmetadaten“ von Mastodon wieder weg. Man muss nicht mal böse Absicht unterstellen, aber wenn sich diejenige später, offline die Bilder anschaut, dann sind sie wieder bunte Kleckse – ohne Kontext – ohne Sinn - von Anonymus - aus der Traumzeit.
Ich habe diesen Umstand schon ein paarmal auf Mastodon diskutiert. Reflexartig kommt dann: „Metadaten verletzten die Privatssphaere.“ Das ist natürlich Unfug und diese Erkenntnis kann man sich auch ganz einfach selber erarbeiten, wenn man verinnerlicht hat, was die Metadaten eigentlich sind. Letztens schrieb einer oder eine auf Mastodon sinngemäß: ‚Ich booste nur noch Bilder, die eine Beschreibung enthalten‘. Ja was denn nun? Man lernt schon in der Schule, was eine Bildbeschreibung enthalten soll - die berühmten 5W, welches jede Fotografin verinnerlicht haben sollte: „Wer (Künstlerin)? Was? (Titel, Bildgattung, Sujet) Wie? (Technik, Bildformat) Wo? (Ausstellungsort) Wann? (Entstehungszeitraum, Veröffentlichung, Epoche)".
Zur Ehrenrettung, muss ich sagen, dass der Poster W. dies genauso bescheuert fand. Das kommt hier nur nicht so rüber. Leider ist dieses Mastodon-Urgestein im April 2022 gestorben.
Diese Datenschutzbedenken sind zudem aus dem Munde Twitters, LinkedIns oder Facebooks geradezu lächerlich. Das Fediverse hat dieses Narrativ stumpf übernommen, was entweder von Faulheit oder von Unkenntnis zeugt. Datenschutzbedenken sind es ganz sicher nicht.
Aber gut, auch diesem Umstand könnte man Rechnung tragen, indem man z.B. beim Import/Upload einen Metadaten-Filter einbaut. In nutze wie oben beschrieben einen Filter bei der Ausgabe meiner Bilder. Daher stammt auch die angezeigte Maske (unten, dunkel).
Idee, wie ein Bildimport mit granulierter Metadatenvergabe in Mastodon aussehen könnte. Eigentlich könnte die NSFW-Vergabe in der Maske gleich mit inkludiert sein.
Bleibt die Frage, taugt Pixelfed als Galerie? Klare Antwort: Nein! Ohne Metadaten ist das m.E. nur Spielerei mit bunten Bildchen auf Halde – analog zu Instagram & Co.
Aber so negativ möchte ich nicht schließen. Das Fediversum hat durchaus das Potenzial, sich dieses Umstandes anzunehmen, denn im Gegensatz zu Twitter, FB, Insta, LinkedIn ... sind Metadaten nicht der natürliche Feind des Geschäftsmodells.
Bis dahin ist nach wie vor der eigene Server die bessere Wahl. Im FOSS-Bereich gibt es mit PiWiGo (ja der Name ist etwas irritierend) eine hervorragende Lösung, bei der man selbst festlegen kann, was und wem man an Metadaten mitgeben möchte – durchaus auch granuliert entsprechend dem Mitgliederstatus.
Mehr zum Thema in der UD-Folge 047: Die Stripper von Mastodon ab Minute 17:47.
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