(Das ist ein gekürztes und leicht geändertes Transkript von einem Audiobeitrag in meiner Soapbox)

Mastodon wird in regelmäßigen Abständen geflutet von Leuten, die von anderen Social Network Services, herüberkommen. 

Das geschah immer schon immer und meist in Wellen, wenn dort irgendwas nicht so lief und irgendeine Kampagne sagt, wir hauen hier ab und dann hauten ein paar ab. 2/3 davon kehrten wieder zurück und dann war gut für eine Weile. 

Jetzt ist das gerade wieder so. Viele Leute kommen von Twitter zu Mastodon. Das ist weder gut noch schlecht - es ist eben so. Letztendlich bewegt sich alles, also warum nicht die Nutzer von verschiedenen Social Network Services. 

Was mir dabei aufgefallen ist, Mastodon pflegt einen gewissen elitären Anspruch. Sie meinen, irgendwie besser zu sein als andere. Und tatsächlich wird ihnen das auch eingeredet von Leuten, die zum Beispiel von Twitter zu Mastodon kommen. Dann heißt es, „Ah, das ist ja ein viel besseres Netzwerk“, „hier sind ja viel bessere Menschen“ und solche Sachen. 

Wenn man sich selber erhebt innerhalb einer Gruppe, dann heißt das natürlich auch automatisch, dass man eine andere ausschließen will. Und auch das passiert. Man hört z.B., „ja, die da drüben auf Twitter, die sind ja alle nicht ganz dicht“, „die sind nur auf Krawall gebürstet“, „die wollen sich alle gegenseitig fertig machen“ ...

Das ist leider komplett falsch. Mastodon ist kein besseres Netzwerk. Mastodon ist letztendlich auch wirklich nur eine technische Installation, die den Menschen ermöglicht zu netzwerken. 

Das weiß eigentlich jeder – die Menschen sind die gleichen. Ob die auf Twitter agieren oder auf Mastodon oder auf Pinterest ..., es sind alles dieselben Menschen. Da sind manche gut, manche sind böse, manche sind intelligent, manche sind strunzdumm. Alles das gibt es überall, in jedem Netzwerk. 

Wenn jemand von Twitter nach Mastodon kommt, dann wird er oder sie nicht dadurch automatisch besser. Da gibt es keinen Reinigungseffekt, irgendein religiöses Erlebnis oder so. 

Was die anderen Netzwerke bzw. manche andere Netzwerke so schlecht macht, ist der Algorithmus. Denn dessen Ziel ist es, möglichst viel Aufmerksamkeit zu erzeugen, um dann an diesem Punkt, wo die Aufmerksamkeit gerade kondensiert, Werbung zu schalten. 

Das heißt, ich sorge dafür, dass ein kontroverses Thema in der Timeline nach oben gespült wird; es kommen immer mehr Menschen, dann schalte ich dort die Werbung und ich mache meinen Profit. Das ist die Idee. 

Wie kann ich Leute zu so einem Kondensat bringen? Indem ich ein kontroverses Thema noch kontroverser mache, indem ich also die extremsten Meinungen herausfiltere und die wiederum ganz nach oben setze. Es werden ja nicht nur Themen im Algorithmus erfasst, sondern auch Kommentare. 

Diese ganzen Algorithmen sind eben genau dazu gedacht, dass man dort ebendiese Aufmerksamkeit kondensieren lässt. An diesem einen Punkt, das nennt man dann Trend oder es trendet dann eben. Und dann geht die Reise weiter zum nächsten Trend. 

Wenn man erst mal in so einem Schiff sitzt, das von Wellenberg zu Wellenberg reitet, dann euphorisiert das natürlich auch. Also macht man irgendwann auch mal gerne mit und es kommen vielleicht auch charakterliche Eigenschaften zum Vorschein. 

Bei Mastodon gibt es keine Algorithmen, was leider eine falsche Aussage ist, denn auch dort gibt es natürlich Algorithmen, auch dort trendet irgendwas. Auch dort gibt es Themen, die irgendwie an einem bestimmten Punkt kondensieren und an der Stelle zusätzliche Aufmerksamkeit erzeugen. 

Ich selber verwende zum Beispiel keine Hashtags – aus Gründen [...] Hashtags sind der Beginn eines Algorithmus. Sie sind genau genommen schon ein einer. Wenn jetzt mehrere Leute einen konkreten Hashtag verwenden, dann habe ich natürlich am Ende wiederum einen Trend. 

Dann habe ich wieder diesen Kondensationsort gefunden. Beziehungsweise erst mal habe ich einen Haufen Kondensationskeime, aber die dann natürlich irgendwo an einem Thema kondensieren. 

Das kann man in regelmäßigen Abständen auf Mastodon sehen. So gerade letztens in der Diskussion um Chaos.Social. Also keine Frage, es gibt schon Algorithmen auf Mastodon, wenn auch in einem sehr basalen Stadium. 

Aber der Ruf nach Algorithmen auf Mastodon wird von vielen Leuten immer stärker vorgetragen. Ich sehe fast täglich Leute, die gerne (mehr) Algorithmen haben möchten. 

Da kommen dann so Fragen: „Kann man irgendwie Hashtags zusammenfassen, um dann bestimmte Leute zu blockieren?“ (Es geht immer ums Blockieren bzw. ums Ausschließen.) 

Es gibt auch Hashtags, die ich am liebsten auch nicht sehen mögen wollte - Dating Geschichten z.B. - Menschen, die posten, dass sie eine Freundin oder einen Freund suchen. Meistens blättere ich es weiter, aber ich bekomme es eben auch in meine Timeline ... Aber ja, es ist nun mal da und ich kann damit auch leben, weil, ich habe ja nicht so unendlich viele Leute in meiner Freundesliste, die regelmäßig posten. Überhaupt gar kein Problem. 

Aber es gibt eben viele Leute, die kommen damit nicht klar, dass da überhaupt irgendjemand etwas postet, was für sie persönlich nicht relevant wäre. Das heißt, Sie fordern genau genommen einen Algorithmus. 

Letztens hat eine Frau geschrieben, die Asperger hat, und sie möchte nur maximal 25 Posts von Leuten zu den wichtigsten Themen in meiner privaten Timeline sehen. Das ist ein Algorithmus. Warum geht sie nicht zu Twitter? Das ist die Essenz eines Algorithmus, wenn man nur das sieht, was man sehen möchte. Das konterkariert natürlich aufs extremste die Idee eines sozialen Netzwerkes, wo man also sozial interagieren sollte. 

Dann gibt es natürlich diverse Leute, die sagen, „ich möchte nicht, dass dieser oder jener Begriff fällt“. Sie fordern, dass die Posts nach sensiblen Wörtern vorher gescannt werden, von einem allmächtigen Algorithmus. Und wenn da z.B. „flausch“, “ Schwarmintelligenz“ ... schrieb einer letztens, drinsteht, möchte er, dass diese Posts herausgefiltert werden. 

Wie gesagt, es gibt bereits zahlreiche Algorithmen auf Mastodon, und der Ruf nach einem umfassenderen Algorithmus wird größer. Es gab diese Idee, Algorithmen in Mastodon einzuführen, auch schon vor Jahren, und ich denke, es wird irgendwann auch kommen. 

Ein weiterer Punkt, es gibt die Idee, dass die föderale Struktur besser sei, als die zentrale Struktur von Twitter, Facebook & Co. Das würde irgendwie automatisch die Freiheit erhöhen. .... Ich glaube das nicht. Twitter wäre ohne Algorithmus genauso wie Mastodon. 

Im Gegenteil. Wie die Diskussion um Chaos.Social gezeigt hat, hat diese Föderation durchaus ihre Nachteile. Es ist ganz einfach, dass man sich zu einem Konföderierten erklärt oder erklärt wird. Chaos.Social konföderiert ständig irgendwelche Server und Personen. Das ist kein Vorteil, sondern Zensur auf einem Kleinstaaten-Niveau – in all ihrer Spießigkeit.

Diese föderale Struktur hat auf anderer Ebene jedoch durchaus Vorteile. Das Netzwerk wird so robuster (auch gegenüber staatlicher Zensur). Schalte ich eine Instanz ab, kann eine andere übernehmen. Das gesamte Netzwerk ist nicht angreifbar. Es kann besser auf technische Ausfälle reagieren. Und so weiter. Das sind die Vorteile des föderalen Universums. Zusätzlich kann ich es etwas granulieren. Ich kann – analog zu Gruppen – Server aufsetzten, die sich nur um Fotografie kümmern oder Literatur usw. – ein sehr wichtiger Vorteil m.E.

Ich kann mir als Nutzer eine Heim-Instanz überlegen, die mir alleine schon reicht und ich die Welt-Timeline gar nicht benötige. Mir geht das so, ich benutze die Welt Timeline gar nicht. Ich habe schon seit Monaten nicht mehr reingeguckt und wenn ich da rein schaue, dann auch nur sehr kurz. Ich habe ja meine Follower, die mir folgen und denen ich 1:1 folge.

Die Posts dieser Follower tauchen in meiner persönlichen Timeline auf und das reicht mir völlig. Auch da sind dann Sachen dabei, die interessieren mich nicht oder ärgere mich vielleicht sogar. Aber ich habe nicht diesen Impuls, die irgendwie zu muten oder zu blockieren. Denn, wie gesagt, das konterkariert ja eigentlich die soziale Komponente. 

Wenn ich auf die Straße gehe, kann ja auch nicht alle Leute muten, die mir nicht gefallen. Ich kann nicht, wie bei Photoshop, alle rauslöschen, die ich hässlich finde. Das ist nun mal das (soziale) Leben. Alle Menschen sind da, so wie sie sind, und so muss ich sie auch nehmen. Sie zu muten, zu blockieren, zu zensieren ... ist der erste Schritt zu einem Algorithmus, ist der erste Schritt in eine künstliche Welt, ist der erste Schritt in Asozialität. 

Wie komme ich zu meinen Followern? Es gibt zwei Möglichkeiten: 

A) Ich kreiere regelmäßig Content (ich selbst teile so gut wie keinen Content.) Z.B. sowas wie The Singularity Is Nigh, Podcasts, Videos, eigene(!) Bilder .... Diese Inhalte, die ich produziere, werden goutiert oder auch nicht. Dann folgen mir Leute und meine Idee ist, wenn mir jemand folgt, dann folge ich ihm oder ihr auch. 

B) Die andere Variante ist, ich sehe jemanden, der irgendwo geteilt wurde, in meiner persönlichen Timeline und ich denke, „oh, das ist interessant, dem folge ich mal für eine Weile“. Wenn diese Person mich zurückverfolgt, dann bleibt das so, wie es ist. Wenn nicht, dann denke ich, dass diese Person an einer sozialen Interaktion mit mir nicht interessiert ist und entferne ihn oder sie wieder aus meiner Follower Liste. 

Diese soziale Komponente ist meines Erachtens das Wichtigste in einem sozialen Netzwerk. Was gefühlt die meisten Leute aber tatsächlich wollen, ist letztendlich Aufmerksamkeit, ist das Sich-selber-Produzieren. Sie wollen Aufmerksamkeit für Ihre eigene Person, und zwar mit möglichst wenig Aufwand generieren. Sie nehmen irgendeinen Zeitungsausschnitt aus dem Spiegel, sagen „furchtbar, furchtbar, furchtbar“ oder „toll, toll, toll“. Und das ist dann Ihr „Content“, den Sie produziert haben. Und jetzt möchten sie dafür beklatscht werden. Viele Menschen glauben, ein soziales Netzwerk wäre genau dazu da. 

Ich sehe das anders. Ich denke, ein soziales Netzwerk ist dazu da, sozial zu interagieren. Nur um mich selber in Position zu bringen und zu sagen, „seht mal, wie toll ich bin und was für eine tolle politische Meinung ich habe“ und „was für eine tolle sexuelle Präferenz ich habe“ und „wie toll ich bin zu irgendwas“ ... interessiert mich überhaupt nicht. 

Was du proklamierst, ist mir egal – was du tust, ist entscheidend. Wie Forrest Gump sagte, „dumm ist nur, wer Dummes tut“. Und das lässt sich natürlich auch umdrehen. Das ist die soziale Kompetenz, dass ich in der Lage bin, kompetent sozial zu agieren, also auch mit Menschen, mit denen ich vielleicht nichts zu tun haben wollte, mit denen ich jetzt aber in einem Raum bin und irgendwie versuchen muss, menschlich klar zu kommen. 

Das ist auch ein interessantes Experiment: Kann man das? Kann man das nicht? Jeder, der mutet, jeder, der blockiert, ist in dieser Prüfung durchgefallen. Jeder, der Hashtags verwendet ist durchgefallen. Wer dies alles tut, möchte nicht sozial agieren, sondern möchte sich lediglich auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten produzieren.

Um auf die Frage von oben zurückzukommen: Nein & nein.

 

 

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